Interview: Yoga und Kampfsport. Passt das?

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Jasmina Berger von Smart Kinetics, Yogalehrerin und Familienchefin von zwei Kampfsportlern hat ihr YogaStudio im selben Gebäude wie die Grappling Society in Bocholt. Cheftrainer Stefan Heber hat sie am Anfang 1-2 x pro Woche gebucht, damit seine Schüler von Yoga profitieren können. Daraus ist mittlerweile eine umfassende Zusammenarbeit geworden. Beide waren vor kurzem bei Rainer…

Jasmina Berger von Smart Kinetics, Yogalehrerin und Familienchefin von zwei Kampfsportlern hat ihr YogaStudio im selben Gebäude wie die Grappling Society in Bocholt.

Cheftrainer Stefan Heber hat sie am Anfang 1-2 x pro Woche gebucht, damit seine Schüler von Yoga profitieren können. Daraus ist mittlerweile eine umfassende Zusammenarbeit geworden. Beide waren vor kurzem bei Rainer Prang von der Sportakademie Prang in Köln, um sich weiterzubilden. Rainer hat ein Konzept zur umfassenden Leistungssteigerung und Verletzungsprophylaxe entwickelt: „Fighters Needs“.

Jasmina’s Interview mit Rainer Prang

Viele Elemente dieses speziellen Konzepts sind yogaähnlich. Jasmina hat mit Rainer gesprochen, um mehr darüber zu erfahren.

Jasmina: Rainer, wie und wann bist du denn zum Yoga gekommen?

Rainer: Das muss 2010 gewesen sein. Da habe ich eine sehr intensive Erfahrung gemacht.

Ich hatte einen Schüler, der 14 oder 15 Jahre alt war und aus verschiedenen Kampfsportarten einen Background hatte. Sein Vater war Yogatherapeut. Damals hatte ich einige Fehlhaltungen entwickelt, über Jahre hinweg, die mir gar nicht so bewusst waren. Eine Freundin, die Physiotherapeutin war, hatte mich schon mal darauf hingewiesen, was mir selbst gar nicht aufgefallen war.
Kurz danach habe ich dann mit diesem Vater gesprochen, als er seinen Sohn abholte. Er sagte, daran könne man arbeiten. Und das war meine erste Erfahrung in der Zusammenarbeit mit jemandem, der Yoga macht.

Er hat mir dann einiges näher gebracht, Kriegervarianten, stärkende Asanas… aber auch Übungen für die Atmung und Haltung, auch für die innere Haltung. Man könnte sagen, bis in den „esoterischen“ Bereich, wenn man das so nennen will. Letztendlich hat er mich dazu gebracht, diese trainingswissenschaftlichen Dinge, die ich schon drauf hatte, neu zu betrachten, zu analysieren.

Jasmina Berger – Smart Kinetics

Jasmina: Hattest Du Vorurteile?

Rainer: Nein, in meinem Umfeld sowieso nicht. Das, was man damals so als Yoga mal im Internet gesehen hat, kannte ich schon von meinen eigenen Kampfsportlehrern als ganz normale Gymnastik. Also alle Yogaklassen, die ich damals mal besuchte, beschäftigten sich mit Übungen, die ich schon kannte. Insofern war ich fein damit.

Jasmina: Nach meiner Erfahrung sind viele Übungen im Kampfsport sehr yogaähnlich. Was glaubst du, woher das kommt, dass besonders Männer oft Yoga, als eine Art „rosarote Frauensache“ abtun?

Es geht um die eigene Körperwahrnehmung

Rainer: Ich glaube, das ist eine Marketingsache. Im Yoga geht’s nicht um die „harten“ Sachen. Da geht’s nicht um Action, da geht’s nicht ums Gewinnen. Sondern darum, Dich selbst wahrzunehmen, Deinen Körper wahrzunehmen. Auch mal runterzufahren. Mal wirklich langsam zu machen und das ist, glaube ich, oft nicht die Art von Sport, die Männer und Jungs sich für sich vorstellen. Das Marketing  von Yoga ist sehr stark auf Frauen ausgerichtet. Beauty, Detox, Ernährung, Klamotten… da finden Männer schlecht Zugang.

Jasmina: Welche Benefits fallen Dir so ein, wenn Du an Yoga für Kampfsportler denkst? Was sind Deine Argumente bei Deinen Jungs – für Yoga?

Rainer: Weil beide Seiten eines Menschen ausgebildet werden sollten. Im Kampfsport geht es auch immer wieder darum, die Mitte zu finden. Die Mitte fürs Gleichgewicht und so weiter.

In einem guten Setting zu stehen, was meine Kraftfähigkeit, Flexibilität, Explosivität oder Agilität betrifft. Auch mein Mindset darf nicht zu strikt sein. Natürlich will ich gewinnen. Aber ich muss auch flexibel genug sein, um kreative Wege zu suchen, zu finden und zuzulassen – Wege, die vielleicht nicht üblich sind, aber auch zum Ziel führen. Das ist das, was man bei den jungen Fightern häufig sieht. Dass die sehr viel flexibler sind als die älteren, die immer nur über den harten Weg geschult wurden.

Alle Kampfstile haben etwas Hartes und etwas Weiches

Ich glaube, dass über die Jahre der ursprüngliche, auch weiche Weg in allen Kampfkünsten verloren gegangen ist durch Marketing. Wenn man sich die ursprünglichen Kampfkünste anschaut, die haben alle etwas Hartes und etwas Weiches.

Rainer Prang – Trainer und Leiter der Sportakademie Prang (Köln)

Ich denke, dass KampfSPORT darauf ausgerichtet war, die Toughen abzuholen. Aber meiner Meinung nach ist ein komplett ausgebildeter Fighter oder ein komplett ausgebildeter Athlet immer auch weich und nicht nur hart. Dabei geht es darum, nicht nur seine Stärken zu kennen, sondern auch seine Schwächen, um dann auch bewusst daran zu arbeiten.

Yoga ist – wenn man sich die Geschichte mal anschaut – in den Bewegungsformen etwas, was erst in den letzten beiden Jahrhunderten entwickelt und vorangetrieben wurde. Yoga bestand ursprünglich aus liegenden oder sitzenden Positionen mit ganz viel Pranayama und Meditation.

Die Inder haben während der Besatzung durch die Engländer erst die unterschiedlichen Bewegungen integriert, weil sie gesehen haben, dass alles an „Leibesübungen“ der Soldaten dazu führte, das diese stärker und widerstandsfähiger wurden. Also haben sie ihr Yoga mit der damals praktizierten „schwedischen Gymnastik“ aufgefüllt und adaptiert.

Die andere Seite ist, dass damals Yoga nach China kam, über welche Wege auch immer, und so die asiatischen Kampfkünste nachhaltig beeinflusst hat.

Bewegungsmöglichkeiten sind stilübergreifend gleich

Jasmina: Du siehst Yoga also auch als Ergänzung, aber ganz klar nicht nur als körperliche Praxis. Für Dich gehört Pranayama und Meditation auch dazu, oder?

Rainer: Auf jeden Fall. Am Ende des Tages hat der Körper im günstigsten Fall 2 Arme und 2 Beine und die Bewegungsformen unterscheiden sich durch Timing, Rhythmus, Distanz, Beweglichkeit, Kraft-Längenfähigkeit, koordinative Vorlieben. Die Möglichkeiten, die wir haben, um uns zu bewegen, sind für alle erst mal gleich. Egal, welches Bewegungssystem wir uns anschauen. Es wird sich immer nur auf das Individuum und die Bewegungsmöglichkeiten des einzelnen zurückführen lassen.

Jasmina: Welchen Yogastil empfiehlst Du einem Kampfsportler?

Rainer: Ich halte nichts von Stilen. Ich komme aus einem Mindset, das besagt, dass ein Stil sich entwickelt aus dem, was ein Mensch tut, wie er/sie es tut. Da werden Charakteristika zum Tragen kommen, die ausmachen, was da passiert. KampfKUNST hat auch den Aspekt des Künstlerischen und auch das hat mit dem persönlichen Ausdruck zu tun.

Wenn ich Bewegungsformen für mich finde, die mich weiterbringen als Athlet, dann ist das egal, welchen Yogastil ich wähle. Es geht darum, die Augen aufzumachen und guten Input zu bekommen und das ist oft Trainerabhängig und nicht stilabhängig.

Jasmina: Danke für Deine Zeit und bis demnächst bei Fighters Needs.

Bildnachweise (von oben nach unten):

Fotos bereitgestellt von Jasmina Berger


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